„Ja, geht denn das?“; „Wie organisiert ihr das denn?“ – Zwei Beispiele von Fragen, die mich erreicht haben, als ich angekündigt habe, mit meiner Frau eine dreimonatige Auszeit (davon zwei Monate auf Reise) zu nehmen. Daneben gab es aber auch sehr viel Zuspruch: „Finde es super, dass ihr das macht!“; „Gratuliere euch zu diesem Schritt, tut euch gut“.
Auch ich hatte anfänglich meine Bedenken und Sorgen: Ja, wie machen wir das denn? Tut uns das wirklich gut? Wird es uns nicht langweilig? Wieviel wird das kosten? Wie reisen wir? Was wollen wir genau? Wohin soll es dann gehen? usw. …
Doch dann ging es an die Planung und die Organisation – zuerst die Reise und dann den ganzen Umzug, da wir beide die Arbeitsstelle wechseln werden. Die grosse Auszeit kam immer näher: Juli, August und September. Und es gab noch sehr viel zu tun. – Schliesslich haben wir uns diese Auszeit genommen: raus aus dem alltäglichen, arbeitsreichen Geschehen, das uns die letzten 5 bzw. 6 Jahre umgetrieben und geprägt hat.
Die Reise ging in die USA – trotz des momentanen Präsidenten. Genauer nach Hawaii, an die Westküste der USA und nach New York. Es ist unsere zweite Reise in dieses unglaublich grosse und von Naturwundern nur so strotzende Land. Ein Land, das von Gegensätzen, Zerrissenheit und den unterschiedlichsten Kulturen geprägt ist, das hoch technologisiert ist, aber der grossen ökologischen Welle infrastrukturtechnisch und innovativ hinterherhinkt (kleine Erfolgstories können auch die USA bzw. einzelne Staaten vorweisen). Das eine oder andere versteht man überhaupt nicht, doch wer das Land bereist, merkt bald einmal, dass für die Amerikaner das Flugzeug das ist, was für die Schweiz (und Europa) der ICE, der TGV, der Railjet, der Frecciarossa oder der ICN ist (oder sein sollte!). In dieser Zeit von zwei Monaten konnten wir auf das Fliegen nicht verzichten. Doch soviel steht fest: Die nächste Reise (die wir sicher machen werden) wird ohne Linineflüge auskommen.
Abgesehen von der ganzen Klimadebatte durften wir wunderschöne Orte besuchen und bestaunen (Fotos gibt es – bald – hier), tollen Menschen begegnen (die vielerorts, entgegen der weitläufigen Meinung gar nichts von Trump halten) und wunderbares Essen geniessen.
Auch hatten wir die Möglichkeit, als schweiz-geprägte Theologen, den katholischen Glauben in seiner amerikanischen Ausprägung kennenzulernen. So sind die sonntäglichen Gottesdienste stark von den verschiedenen Kulturen geprägt und immer wieder sehr berührend, musikalisch reich und einfach wohltuend. Als „Neuling“ wird man speziell begrüsst und willkommen geheissen und man fühlt sich geborgen in einer Gemeinschaft, die mit einfachen Worten nicht erklärt werden kann.
Man sagt so schön: Reisen bildet! Ja, das tut es. Es weitet den Blick, macht sensibel für (andere) Themen und Sorgen der Menschen und bietet die Möglichkeit, sich sprachlich und kulturell weiterzubilden. All dies fliesst dann wieder ein ins eigene Denken und Handeln und hat hoffentlich positiven Einfluss auf das Gemeinwohl.
Immer wieder habe ich während der vergangenen Jahre die Geschichten mit Jesus gelesen und gehört, in denen er unterwegs war, von Dörfern in Städte und umgekehrt. Er hatte anscheinend keinen Ort, an dem er sein Haupt hinlegen konnte und doch war er irgendwo zuhause. Nämlich dort, wo die Menschen waren; da wo sie ihn aufnahmen und brauchten… und dies konnte überall sein.
Diese Geschichten prägen mein Verständnis seelsorgerlichen Lebens. Es bedeutet, dass man nicht einfach stehen bleiben kann. Dass man sich bewegen muss, wenn man die Menschen erreichen und berühren will mit der Botschaft des Evangeliums und dass es auch Auszeiten braucht, die einem die Möglichkeit bieten, die Batterien wieder aufzuladen.
Unsere (R)Aus-Zeit ist zeitlich zu Ende, doch wird sie uns noch eine Weile begleiten und daran erinnern, dass es gut ist, immer wieder mal auszubrechen um die Welt mit anderen Augen zu sehen, um dann auch wieder zurückzukehren mit neuen Ideen und Gedanken.